Ein Blick in die Vergangenheit Sachsens

Stell dir vor, die Herbstferien, wie du sie heute kennst – zwei Wochen chillen, vielleicht ein Trip mit der Familie oder einfach nur abhängen – wären stattdessen dafür da gewesen, um auf dem Feld zu arbeiten. Klingt verrückt, oder? Aber tatsächlich waren die Herbstferien früher nicht nur Ferien zum Erholen. Vor nicht allzu langer Zeit, genauer gesagt in der Nachkriegszeit, ging es bei den „Kartoffelferien“ in Sachsen darum, Kartoffeln zu ernten.

Woher kommt eigentlich der Begriff „Kartoffelferien“?

Heute sind die Herbstferien eine entspannte Pause mitten im Schuljahr. Doch vor etwa 70 Jahren hatten sie einen ganz anderen Zweck. Damals war die Kartoffel eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Situation in Europa besonders schwierig. Lebensmittel waren knapp, und viele Familien mussten auf kreative Weise dafür sorgen, dass sie genug zu essen hatten. Die Menschen lebten in einer Zeit, in der Selbstversorgung das Überleben sicherte.

Und hier kommen die Kartoffelferien ins Spiel. Anfang Oktober war Erntezeit. Da wurden Kartoffeln aus der Erde geholt und eingelagert, damit die Menschen über den Winter genug zu essen hatten. Die Schulen wurden extra geschlossen, damit die Kinder und Jugendlichen auf den Feldern mithelfen konnten. Gemeinsam mit ihren Familien zogen sie los, um zu „stoppeln“. Das bedeutete, dass man auf bereits abgeernteten Feldern nach übrig gebliebenen Kartoffeln suchte, die die Maschinen nicht eingesammelt hatten. Oder die Kartoffeln mussten von Hand „gelesen“ werden, wenn die Familie keinen Zugang zu Maschinen hatte, eine körperlich sehr anstrengende Arbeit.

Ein Blick in die Vergangenheit

Es ist 1949 in Sachsen, du bist vielleicht 10 oder 15 Jahre alt, und statt morgens gemütlich in den Ferien auszuschlafen, geht es früh aufs Feld. Die Felder wurden bewacht, weil die Kartoffeln für viele Familien überlebenswichtig waren. Also hieß es warten, bis der Bauer seine Ernte eingefahren hatte, und dann durften die Städter, die oft aus Dresden oder Radeberg kamen, loslegen und die restlichen „Knollen“ aus dem Boden holen.

Kinder bekamen spezielle „Kinderhacken“, um mitzumachen. Die älteren Generationen erzählen noch heute von den gebeugten Rücken und den langen Wegen, die sie oft zu Fuß zurücklegten, um die Felder zu erreichen. Die Vorräte, die in diesen Wochen gesammelt wurden, reichten oft nur bis zum nächsten Frühjahr.

Die Kartoffel als Lebensretter

Kartoffeln lassen sich leicht anbauen und halten lange satt. Sie waren ein „Überlebens-Gemüse“. Man konnte sie zu allem Möglichen verarbeiten – von dünnen Suppen bis hin zu Kartoffelbrei, der auch Kleinkindern gefüttert wurde, wenn es sonst nichts gab. Es gab Zeiten, in denen Menschen fast ausschließlich von Kartoffeln lebten.

Kartoffelferien werden zu Herbstferien

Heute kennt kaum noch jemand den Begriff „Kartoffelferien“, und das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass wir in einer Zeit leben, in der Essen im Überfluss vorhanden ist. In den 1960er Jahren, als die Situation sich besserte und die Versorgung stabiler wurde, verwandelten sich die Kartoffelferien langsam in das, was wir heute als Herbstferien kennen. Die Felder mussten nicht mehr von Schülerinnen und Schülern leergeräumt werden, und es blieb mehr Zeit zum Entspannen und Erholen.