Die Lebensrealität von Roma und Sinti ist in Deutschland vielfach von Vorurteilen und Diskriminierung geprägt. Umso wichtiger ist es, das Thema in die öffentliche Diskussion zu rücken. Im Rahmen einer Fachtagung zum Thema „Roma und Sinti in Sachsen“ ging es für uns am Morgen des 13. November 2024 nach Chemnitz.
„Ich fühlte mich wie das Corona-Virus. Mit dem Unterschied- ich bin kein Virus, keine Pandemie, von mir muss man nicht Abstand halten“ – Robert A. (Rom aus Chemnitz)
Erste Eindrücke
Als wir am Mittwochmorgen um 8:00 Uhr am Dresdner Hauptbahnhof in den Zug nach Chemnitz einstiegen, ging ich kurz in mich und stellte mir die Frage: was weißt du eigentlich über Sinti* und Roma*? Ich wusste, dass sie als Minderheit gelten, dass sie eine andere Sprache sprechen und dass man das „Z-Wort“ möglichst aus seinem Wortschatz streichen sollte. Mein Fazit: ganz schön wenig, für so ein wichtiges Thema. Einige Google-Suchen später fühlte ich mich etwas besser auf den Tag, der vor mir lag, vorbereitet.
Das Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ empfingen uns im „Weltecho“ Chemnitz, welches für die Tagung verschiedene Räume zur Verfügung gestellt hatte, darunter unter anderem auch das „Kino“, in dem wir den Großteil des Tages verbringen sollten.
Die Bedeutung der Sprache: Vielfalt statt Einheit
Kurz nach 10:00 Uhr wurden wir mit einer Rede begrüßt und durften anschließend dem ersten Vortrag lauschen, der wichtige Informationen und Hintergrundwissen zum Leben und der Kultur von Roma* und Sinti* gab. Besonders interessant, war dabei der Aspekt der Sprache, denn ich war davon ausgegangen, dass alle Roma* untereinander eine Sprache teilten. Doch die Sprache der Roma* wird vom jeweiligen Land, in dem Sie leben, stark beeinflusst. Das bedeutet, in Deutschland lebende Roma binden deutsche Wörter und Elemente in ihrer Sprache ein, in England lebende Roma englische. Die Verständigung läuft über die Grenzen der Länder also etwa so, wie die zwischen Deutschen und Österreichern. Das Besondere daran ist, dass ein in England lebender Rom die Sprache der in Deutschland lebenden Roma* verstehen kann, wenn er die deutsche Sprache sprechen kann- und auch andersherum.
Vorurteile in den Medien: Wie Berichterstattung diskriminiert
Es folgte ein per Videokonferenz zugeschalteter Vortrag von Gilda Nancy Horvath. Sie schlüsselte die negative und vorurteilsbehaftete Medienpräsenz von Sinti* und Roma* anhand von journalistischen Beiträgen auf. Dabei wurde besonders schnell deutlich, welche tragende Rolle Medien und Berichterstattung bei der Diskriminierung von Roma* und Sinti* spielen. Die sogenannte „Klatschpresse“ reproduziert Stereotype und Vorurteile, die sich folgend auf unser Denken und unsere Wahrnehmung auswirken. Aus diesem Grund ist es nicht zuletzt im Internet wichtig, „fake news“ von objektiver Berichterstattung unterscheiden zu können.
Antiziganismus in Sachsen
Nach der Mittagspause, die zum Austausch bei leckeren Suppen einlud, folgte ein Bericht zu Antiziganistischen Vorfällen im Jahr 2023 in Sachsen.
Kathleen Zeidler, Projektmitarbeiterin der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus Sachsen, bot mithilfe von Beispielen einen tieferen Einblick in Antiziganistische Diskriminierung, zu der unter anderem Verleugnung des Antiziganismus, die Leistungsverweigerung für, oder das Exkludieren von Roma* gehören. Dabei ist ersteres für ca. elf Prozent der Diskriminierungsfälle ausschlaggebend, den größten Teil der Diskriminierung stellt jedoch die direkte Leistungsverweigerung dar.
Persönliche Erfahrungen
Besonders bewegend waren die persönlichen Erfahrungen von Robert A., der als Staatenloser Rom in Deutschland aufwuchs. Er berichtete in Form eines Videos, wie er kurz vor einer Abschiebung, in ein Land, dessen Sprache er nicht sprach, wo er weder Freunde noch Familie kannte, stand und welche diskriminierenden Erfahrungen er dabei ausgesetzt war.
Praxisbeispiele und Workshops
Nach einer kurzen Kaffeepause teilten sich die Teilnehmer:innen schließlich auf drei verschiedene Workshops auf.
Im letzten dieser drei Workshops stellte das Team von Romano Sumnal interessante Methoden aus der Praxis der politischen Bildung – und Kinder/ Jugendarbeit vor. Dabei ist ihnen besonders wichtig, Räume für Roma* und Sinti* zu schaffen, in denen Kinder und junge Erwachsene die Freiheit haben, sich in jeglicher Form ausleben zu können. Dies geschieht zum Beispiel durch Kunstprojekte, Theaterstücke und das Schreiben und Aufnehmen von Liedern. Auch an Schulen stellt sich Romano Sumnal vor und arbeitet präventiv, um schädliche Klischees und Stereotype vorzubeugen und für die Individualität eines jeden Menschen zu sensibilisieren.
Für eine Vorurteilsfreie Zukunft
Die Fachtagung hat eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig es ist, Vorurteile aktiv abzubauen und Räume für Begegnung und Dialog zu schaffen.
Um Veränderung zu erzielen, braucht es mehr Sensibilisierung in der Gesellschaft, effektive politische Maßnahmen und Bildung, die die Vielfalt der Menschen hervorhebt. Wir nehmen nicht nur viele neue Erkenntnisse, sondern auch die Motivation mit, uns weiter für eine tolerante und weltoffene Gesellschaft einzusetzen.
Das Team der „gläsernen Stadt“ dankt allen Beteiligten, es freut uns sehr, an diesem Tag dabei gewesen zu sein. Wir freuen uns schon auf das nächste Mal!